sind von uns gesammelt, neu erzählt und aufgeschrieben worden.
Hier findet Jörn-Uwe gerade in der Stadt der 100 000 Buchläden in Kalkutta eine weitere indische Märchensammlung.
Die Schöpfungskraft des Menschen
Einst entdeckten die Götter, dass die Menschen, von denen sie erschaffen worden waren,
immer mächtiger wurden. Den Göttern schien absehbar, dass sie nicht mehr gebraucht werden würden.
Sie versammelten sich um darüber nachzudenken, wie sie den Menschen ihre Schöpfungskraft nehmen könnten.
Sie sannen lange.
Einer schlug vor:
„Lasst uns ihre Göttergleichheit tief unter einem Berg verstecken.“
Doch das höchste Wesen antwortete:
„Eines Tages werden die Menschen die Erde aufgraben und dann ihre Kraft entdecken.“
„Dann lasst uns ihre Macht in den Tiefen der Ozeane verklappen!“
Abermals sprach das Höchste:
„Sie werden in die tiefsten Tiefen der Weltmeere hinabtauchen und dort ihre Schöpfungskraft finden!“
Die Mondgöttin schlug vor:
„Lasst uns die menschliche Schöpfungskraft doch auf den Mond verbringen. Dort werden sie nicht hinkommen.“
„Eines Tages wird die Menschheit auch den Mond besuchen,“ antwortete das Höchste.
„Und dann könnte es für uns ans Sterben gehen.“ Davor hatten einige Götter Angst.
Lange dachte das All nach. Dann sprach es:
„Wir wollen seine Schöpfungsmacht in ihm selbst verstecken, sie tief in sein Herz legen, dort wird der Mensch niemals nach sich selber suchen.“
So geschah es, so ist es noch heute.
Nach einer angeblichen Hindulegende (im Netz mit verschiedenen Zielsetzungen aufgeschrieben)
neu erzählt von Jörn-Uwe Wulf
Es war einmal ein Müller, von dem sagten die Leute, er wäre so grob wie Bohnenstroh.
Niemand mochte mit ihm etwas zu tun haben.
Wäre in der Nähe eine andere Mühle gewesen, die Bauern wären mit ihrem Korn dorthingegangen um es mahlen zu lassen. Aber weit und breit gab es nur diese Mühle und alle mussten zu ihm.
So kam der Müller immer mehr in die Wolle und wurde zuletzt ein reicher Mann. Dabei war er so geizig, dass er sich nichts gönnte, immer nur arbeitete und das auch von seiner Frau und seiner Tochter verlangte. Dabei freute er sich über nichts außer seinem gefüllten Geldbeutel. Eines Tages klopfte eine alte Frau an seine Tür und bat um etwas zu essen.
Die kam aber schön an! Der Müller wetterte auf sie los:
„Fort von meiner Tür, du alte Hexe, sonst lasse ich den Hund los! Elendes Bettlergesindel! Kommt nur, um zu sehen, wo es was zu stehlen gibt.“
Die Alte wollte noch weiter bitten, er jagte sie ohne Mitleid von seinem Hofe. Sie ging traurig fort. Unterwegs traf sie einen Müllersburschen auf Wanderschaft. Der wollte noch mehr lernen, war arm und neugierig auf die Welt. Bisher war's ihm schlecht gegangen. Selten hatte er Arbeit gefunden, und seine wenigen Spargroschen waren auch schon verzehrt.
„Guten Abend, Mütterchen“, grüßte er freundlich die Alte, „weißt du nicht, ob hier eine Mühle in der Nähe ist?“ Sie wies ihm den Weg zu der Mühle, von der sie eben kam.
„Du gefällst mir, und du bist arm wie ich. Ich helfe dir, doch du musst auch etwas tun.
Hör zu und mach, was ich dir sage, es wird dein Glück sein. - Wenn du an den Mühlbach kommst, wirst du ein schwarzes Steinchen entdecken.
Heb es auf und nimm es mit. Dann geh zur Mühle, gleich ins Haus, sie werden dich nicht aufnehmen wollen. Doch du bleibst da und sagst, wenn sie schimpfen nur immer: ,Schönsten Dank!' Iss und trink auch dann, wenn du nicht dazu gebeten wirst, sag wieder: ,Schönsten Dank!' und dann leg dich ins Bett, ohne dass man dich dazu auffordert. Wenn aber in der Nacht alles schläft, dann schleiche dich zum Herd und leg das schwarze Steinchen in die Asche. Am nächsten Morgen werden dann alle im Hause närrisch sein; das soll die Strafe für den Müller sein. Und nur du kannst helfen. Du nimmst nämlich einfach das Steinchen wieder aus der Asche heraus.
Sei klug! Du kannst dort dein Glück machen.“
Dem Müllergesellen kam das alles recht bedenklich vor. Aber da die Alte sagte, es würde alles gut werden, versprach er's und verabschiedete sich von ihr. Er kam an den Mühlbach, fand das Steinchen und steckte es ein. Dann ging er in die Mühle und bat die Müllerin um ein Nachtlager.
„Nein, hier ist keine Herberge.“ - „Schönsten Dank“, sagte er, legte sein Ränzel ab und setzte sich auf die Ofenbank. ,Der muss taub sein', dachte die Frau.
„Du hast mich wohl nicht verstanden“, sagte sie laut, „Du darfst hier nicht bleiben!“ - „Schönsten Dank, schönsten Dank!“ erwiderte er freundlich, und was sie auch vorbrachte, wie oft sie ihm die Tür wies, stets antwortete er „Schönsten Dank!" und blieb ruhig sitzen. - Nun kochte die Frau für ihren Mann das Essen und trug die Schüssel auf den Tisch.
Der Geselle griff zur Kelle und füllte sich auf.
„Schönsten Dank!“ rief er und fing an zu essen.
„Das ist für meinen Mann!“ schrie die Frau wütend.
Er kehrte sich nicht daran, löffelte weiter, sagte dazwischen „Schönsten Dank!“ und hieb ein, dass der Frau angst und bange wurde.
Da kam ihr Mann nach Hause.
„Gott sei Dank, dass du da bist“, rief sie ihm entgegen und erzählte ihm von dem unheimlichen Gast. Der Müller fuhr wütend auf den Fremden los; der aber tat, als würde ihm die größte Freundlichkeit erwiesen und beantwortete alles Schimpfen immer nur mit „Schönsten Dank!“
Der Müller hätte ihn am liebsten zur Tür hinausgeworfen, aber er sah, der Kerl war jung und stark, wer weiß, wie das ablief.
„Mach mir mein Bett“, sagte er endlich zu seiner Frau, „ich bin müde."
Die Frau machte das Bett, da zog sich der Fremde ohne weitere Umstände aus, sagte „Schönsten Dank!", legte sich in die Federn und schlief bald wie ein Klotz. Müllerin und Müller hätten ihn am liebsten hinausgeprügelt, aber sie fürchteten sich vor seinen Fäusten. Er blieb liegen, und sie mussten sich ein Lager auf dem Fußboden machen. In der Nacht aber, als alles schlief, stand der Geselle auf, legte das schwarze Steinchen in die Asche und ging wieder ins Bett. Frühmorgens weckte die Müllerin ihre Tochter damit sie Kaffee kochte.
Wie aber das Mädchen sich zum Herde bückte und den Mund spitzte, um die Funken wieder anzublasen, da machte ihr Mund auf einmal:
„Www... widewau, widewau, widewau.“ Nichts als „widewau“ kam über ihre Lippen, und das Feuer ging nicht an. Da wurde ihr Angst, sie fing an zu weinen und lief zur Mutter.
„Widewau, Mutter, das Feuer, widewau, will nicht brennen, widewau, ach widewau Mutter, widewau, ach, was ist das doch, widewauwidewauwideauwauwau.“
Die Mutter warf die Kleider über, lief hin und versuchte es selbst. Kaum bückte sie sich aber zum Herd und spitzte den Mund, da musste auch sie in einem fort rufen:
„Widewau, widewau!“ Der Müller, dem es mit dem Kaffee zu lange dauerte, kam dazu, schimpfte auf die Weibsleute, die gar nichts verständen, nahm die Zange, legte das Holz zurecht und pustete aus Leibeskräften. Aber:
„Widewau, widewau, widewau“, ging das auch bei ihm, „was zum Teufel ist da los, widewauwauwau.“ Und Vater, Mutter und Tochter widewauten, daß einem die Haare hätten zu Berge stehen können. Die Tochter lief zum Nachbarn.
„Guten Morgen, Herr Nachbar, widewauwauwau, kommen sie doch mal, widewau, und helfen sie uns, widewau, widewau, wir sind alle behext widewauwauwau, und das Feuer geht nicht an.“ Der Nachbar lachte: ,Schade um das Kind, es war doch sonst so gescheit!' und ging mit. Da standen Müller und Müllerin am Herde und schrien auch:
„Widewau, widewau.“ Als der Nachbar endlich verstanden hatte, dass es ums Feuer machen ging, wollte er helfen, bückte sich, spitzte die Lippen und es erging ihm nicht besser. „Widewau, widewau, widewau-wau-wau“, fing auch er nun an. Da war guter Rat teuer. Es blieb nichts anderes übrig, als die Lehrerin zu holen, die konnte vielleicht den Zauber lösen.
„Widewau, Frau Lehrerin, widewau! Ach, kommt doch, widewau; wir wissen uns nicht zu helfen, widewauwauwau“, kam die Müllerstochter atemlos zur Lehrerin gelaufen. Die folgte ganz erstaunt dem Mädchen, um zu sehen, was es da gäbe. Da fand sie die ganze Gesellschaft am Herde stehen und widewauen.
„Widewau, Frau Lehrerin, ach vertreibt doch nur den bösen Geist, widewau-wau-wau, da in dem Herd“, so rief der Müller. „Widewau, ich will auch ein ganz anderer Mensch werden, widewauwauwau, ich will nicht mehr grob und geizig sein, widewau, widewau.“
Die Lehrerin rückte ihre Brille zurecht und setzte sich gegen den Herd in Bewegung. - Und jetzt spitzt ihr natürlich alle darauf, wie es der Lehrerin wohl ergehen wird. Das könnte euch wohl passen - aber das weiß kein Mensch auf der ganzen Welt. Denn inzwischen war der Müllersbursche nebenan von dem Lärm munter geworden und hatte rasch seine Kleider übergeworfen. Wie er hörte, was der Müller gelobte, kam er herein, sah die schöne Müllerstochter, wie sie mit den anderen um die Wette widewaute, und sagte zum Müller:
„Herr Müller, ich will Euch von diesem Zauber befreien, wenn ich Eure Tochter heiraten darf!“- „Widewau, wenn sie dich, widewau, haben will, einverstanden, widewau, und die Mühle sollst du auch bekommen, widewau, aber nimm dieses Wort aus unserem Mund!“, rief der Müller.
Der Bursche bückte sich, stocherte ein wenig die Asche auf und nahm unbemerkt das Steinchen daraus hervor. Dann schichtete er das Holz übereinander, blies hinein, und im Nu brannte es hell und lustig, und sofort konnten wieder alle ordentlich und vernünftig reden, und von widewau war nichts mehr zu hören. Der Müller hielt Wort; er gab dem jungen Gesellen seine Tochter zur Frau, sie fanden großes Wohlgefallen aneinander.
Das junge Paar übernahm die Mühle und so hatte die Not des jungen Müllersburschen ein Ende.
Er vergaß er im Glück auch seine armen Eltern nicht, unterstützte sie reichlich, und so waren alle glücklich ihr Lebtag. Und wir wollen noch glücklicher sein.
Aus Deutschland
Es war einmal in einem kleinen Dorf ein Weber, der war faul wie ein Hund.
Man hörte ihn niemals arbeiten an seinem Webstuhl. Und doch waren seine Waren schöner als alle anderen.
Er arbeitete auch nie in seinem Garten und auch nicht auf dem Feld und niemals in seinem Weingarten.
Trotzdem erntete er jedes Jahr dreizehnmal mehr als seine Nachbarn.
Selbst seine Frau konnte sich nicht vorstellen, wie das zuging. Immer wenn sie auf dem Markt war, wurde sie ausgefragt und hatte doch keine Ahnung. Selbst nach sieben Jahren Ehe wusste sie nicht mehr als am ersten Tag. Eines Morgens sagte ihr Mann:
„Heute muß ich auf den Markt. Hüte das Haus, bis ich zurückgekommen bin.“
„Lieber Mann, ist gut.“
Der Weber ging fort. Aber seine Frau folgte ihm leise, ganz leise, wobei sie sich hinter Bäumen und Hecken versteckte. Als ihr Mann in einem Wäldchen angelangt war, zog er etwas aus der Tasche, versteckte es am Fuße eines Wacholderstrauches und ging weiter. Fünf Minuten später hatte die Frau das Versteckte schon gefunden. Es war eine Nuss, die war so groß wie ein Putenei und man hörte seltsame Stimmen daraus hervordringen.
„Bss, mach die Nuss auf, Bss, mach die Nuss auf. Wo ist die Arbeit? Bss, mach die Nuss auf.“
Schnell eilte die Frau mit ihrem Fund nach Hause und immer weiter hörte sie die Stimmen rufen:
„Bss, mach die Nuss auf, Bss, mach die Nuss auf. Wo ist die Arbeit? Bss, mach die Nuss auf.“
Die Frau öffnete die Nuss. Da krabbelten dreizehn Fliegen aus der Nuss heraus, die flogen im Zimmer herum und summten:
„Bss, wo ist die Arbeit? Bss, wo ist die Arbeit? Wo ist die Arbeit? Bss, wo ist die Arbeit?“
Die Frau erschrak:
„Ihr Fliegen, kehrt doch in die Nuss zurück!“
Sofort kehrten die Fliegen in die Nuss zurück, aber sie brummten:
„Bss, mach die Nuss auf, Bss, mach die Nuss auf. Wo ist die Arbeit? Bss, mach die Nuss auf.“
Der Frau war das unheimlich und sie brachte die Nuss zurück unter den Wacholderstrauch. Als der Weber am Abend vom Markt kam, sagte sie zu ihm;
„Mann, ich kenne jetzt dein Geheimnis. Ich weiß, wer für dich die Arbeit tut! Es sind dreizehn Fliegen, die du in einer Nuss gefangen hältst, - und die Nuss ist so groß wie ein Putenei.“
„Frau, das ist wahr, und da du nun alles weißt, so gib ihnen auch Arbeit. Sie werden alles tun.“
Von diesem Tag an brauchte die Frau nicht mehr zu arbeiten. Sie musste nur die Nuss öffnen und befehlen. Was auch die Arbeit war, die Fliegen taten es. Abspülen, die Wäsche waschen, den Boden fegen, die Toilette reinigen. Und dann kehrten sie sofort in die Nuss zurück, die die Frau unter ihrem Kissen versteckt hielt. Dort aber schrien sie immer:
„Bss, mach die Nuss auf. Bss, mach die Nuss auf. Wo ist die Arbeit? Bss, mach die Nuss auf.“
Bei diesem Gekreisch verlor die Frau irgendwann die Geduld. In ihrem Zorn gab sie den Fliegen die schwierigsten Aufgaben, Gardinen waschen, Fenster putzen, Unkraut jäten, das Haus neustreichen, aber die Fliegen verrichteten alle Arbeit schnell, kehrten dann in die Nuss zurück und schrien:
„Bss, mach die Nuss auf. Bss, mach die Nuss auf. Wo ist die Arbeit? Bss, mach die Nuss auf.“
Das hielt die Frau nicht mehr aus.
„Da ihr Fliegen, habt ihr sechs Siebe, und sechs durchlöcherte Fässer. Fliegt zum Fluss und bringt das ganze Wasser herauf.“
In einem Augenblick stand die ganze Gegend unter Wasser und der Fluss war trocken. Die dreizehn kehrten in die Nuss zurück und brummten:
„Bss, mach die Nuss auf. Bss, mach die Nuss auf. Wo ist die Arbeit? Bss, mach die Nuss auf.“
Da – endlich – kam der Mann vom Markt zurück.
„Lieber Mann, diese Fliegen werden mir noch den Kopf verdrehen. Ich werd' ganz verrückt von ihrem Brummen, Mach sie weg.“
„Liebe Frau, du sollst zufrieden sein. Ihr Fliegen, macht euch davon!“
„Bss, zähl uns den Lohn auf. Bss, zähl uns den Lohn auf.“
„Ihr Fliegen, im Wald draußen leben dreizehn Raben. Die nehmt zum Lohn für eure Mühe.“
Die Fliegen flogen fort in den Wald und nahmen die dreizehn Raben mit. Und seit dieser Zeit haben der Mann und die Frau sie niemals mehr gesehen.
Die Fliegen aber haben seit dieser Zeit nie wieder für die Menschen gearbeitet und wir Menschen müssen seitdem wieder alles alleine machen.
Doch die Fliegen wissen immer noch, wo die Arbeit ist. An jedem kleinen Schmutzhaufen in der Wohnung oder draußen, bald schon sitzt eine Fliege daran und brummt:
„Hier ist die Arbeit. Hier ist die Arbeit.“
Aus Frankreich
Neu erzählt von Jörn-Uwe Wulf
Tradition ist die Weitergabe des Feuers...
... und nicht die Anbetung der Asche.
u.a. Gustav Mahler zugeschrieben.
Gerne könnt Ihr uns eine Nachricht schicken! info@maerchenraum.de
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