Was macht ein gutes Märchen aus?

Ein Kurzinterview per Mail mit der Redakteurin Frau Schönbach der Soltauer Böhme Zeitung für deren Familienseite nach einem Auftritt in einer Soltauer Grundschule.

 

1) Was macht ein Märchenerzähler?

 

Mächenerzähler*innen arbeiten mit ihren Vorstellungskräften. Sie körpern sich Geschichten ein, Bild für Bild, und erzählen die Märchen dann so, wie sie sie gerade erleben. Märchenerzähler*innen erzählen nicht ihre eigenen Geschichten, sondern Texte, die allen Menschen gehören und die sie auf ihre Weise weiterzählen dürfen. Das besondere an uns sollte sein, dass wir auf die Situation (die Zuhörer*innen, die Umgebung, die Tageszeit und und und) eingehen können.

 

 

2) Wie würden Sie den Unterschied zwischen ein Mächen vorlesen oder ein Märchen erzählen, beschreiben?

 

Märchen vorlesen bedeutet, einen Text mit den Augen aufzunehmen und ihn durch das Gehirn zu leiten und dann mit dem Mund auszusprechen.

Spielt sich alles im Kopf ab.

Ist gut.

 

Märchen erzählen bedeutet, einen Text ganz in mich aufzunehmen, ihn zu verlebendigen. Die Erzählerin ruft ihn dann aus ihrem ganzen Körper auf.

Er sieht den Sandsturm kommen, sie hört den Wolf heulen, er fühlt den Nordwind im Gesicht, sie kennt den Geruch des Eisens ihres Schwertes.

Unser ganzes Körper/Gehirnsystem ist beteiligt.

Ist sehr sehr gut.

 

3) Warum mögen aus Ihrer Sicht gerade Kinder Märchen so gerne?

 

Kinder denken eher und noch in Bildern. Das ist frühes Denken. Wir beginnen nach der Geburt mit hell/dunkel, laut/leise, warm/kalt, satt/hungrig. Allmählich folgen Begriffe/Worte, die Bildern zugeordnet werden. Unser Gehirn verbindet Bilder/Wahrnehmungen miteinander und zieht Schlüsse. Das Gehirn erschafft daraus Geschichten. Märchen sind Bilderfolgen. Das passt gerade jungen Hirnen und gut zusammen. Eine Märchen ist Hirnfutter.

 

4) Was macht ein gutes Märchen aus?

 

 Es ist heute klischeefrei, die Zuhörer sollen überrascht und unterhalten werden, die Erzählerin ist immer achtsam und der Erzähler immer wach.

Ein gutes Märchen ist offen für Veränderungen. Geschlechterrollen, patriarchale Strukturen, Fremdenangst, Todesangst werden thematisiert und wir Erzähler*innen hoffen mit unseren Zuhörer*innen auf das gute Ende.