Das Coronadil

Foto: Ellen Erdbeer

Es ist angeschlagen, das linke Auge fehlt, ein paar Schuppen sind irgendwann verloren gegangen. Vielleicht ein dysfunktionaler Nussknacker? Aus Messing. Ein Ding, dass wirklich keiner braucht. Gestrandet im Krimskramsladen der Vorstadt.

Von D. aus dem Trödelladen.

D. ist reich und meistens strahlt er Heiterkeit, Sorgenfreiheit aus. Drei Monate war sein Laden zu. Ich radele vorbei und sehe Licht. Rein, ein Verbündeter, denn die Zeiten sind natürlich hart für ihn und mich.

Es sei für ihn wie Weihnachten gewesen, die erste Öffnungswoche. Die Leute kaufen wie wild, sagt er fröhlich lächelnd.

Und wie es mir...?

Nicht so gut, depressiv, Auftragseinbruch, von 100 auf 0 und das für 5 Monate.

Jetzt läufts langsam wieder an. Tränen steigen mir in die Augen.

"Will dir was erzählen, letzte Woche Mittwoch...",

ich bin eigentlich noch gar nicht fertig mit meinem Leid.

D. unterbricht mich: "Nein hör mal, da kommt eine alte langjährige Kundin herein, über 80, noch sehr gut dabei, Hallo - begrüßen wir uns, frag sie, wie es geht, die Dame sagt, komme mich zu verabschieden."

"Wie verabschieden? Jetzt doch ins Altersheim?"

"Nein, ich mag nicht mehr, Essen macht mir keinen Spaß mehr, Vogelgesang erfreut mich nicht mehr, das Leben ist nicht mehr so toll. Hab mir die Pille aus der Schweiz kommen lassen, 9000 Euro, nächste Woche will ich sie bei mir zu Haus nehmen. Sag jetzt allen Bescheid, die mir wichtig sind."

"Nee, Frau Soundso, echt jetzt, wirklich?"

"Ja, ich mag nicht mehr."

Ich will D. unterbrechen, bin noch mit meinem erarbeiteten Schmerz beschäftigt,

"Nee hör mal weiter! Die ist dann vorgestern wieder gekommen und hat gesagt, morgen ist es so weit. Und Tschüss! Hat sie dann auch gemacht, im Kreis ihrer Familie, waren fast alle da und sie ist gegangen."

Er strahlt mich an.

Was für eine Geschichte - eben mal so zwischen Lampen, antikem Zeugs und wertvollen Möbeln.

D. unterbricht sich jetzt, schaut in seinem Laden rum. "Weißt Du, ich will Dir gerne was mitgeben, irgendwas so weil - da, das geb ich Dir" und schenkt mir dieses Krokodil aus Messing mit Spuren eines daran wirkenden Lebens.

Der Schmuck geht langsam ab, die Perlen und Plättchen, der schöne Schein, aber Zähne zum Durchbeißen hat es.

Ist D. irre oder Engel? Was will D. mir sagen? Will er das überhaupt? Und was hat er mir gesagt?

 

Ich nehm das als Geschenk und mein Coronadil mit nach Hause.