Der vergessliche Cowboy

In diesem Monat erzähle ich in den Kitas von den drei Schätzen, ein Märchen aus China.
Es ist etwas kurz und daher überlege ich, mit welchem Lied oder welcher Geschichte ich auf meine 20-30 Minuten Erzählen komme.
Da fallen mir die lustigen Geschichten von Heinrich Hannover immer wieder ein. Heinrich Hannover, ein großer und unbekannter Deutscher hat unter anderem Rudi Dutschke und Daniel Cohn Bendit als Strafverteidiger in Gerichtsverfahren beigestanden. Er hat auch mehrere RAFprozesse als Strafverteidiger durchlebt und in seinem Feierabend, wenn er abends nach Hause kam, hat er seinen Kindern, ich stelle mir vor auf der Bettkante, Geschichten erzählt.
Viele von diesen Texten hat er in Büchern festgehalten, und ich habe zwei Mitmach Geschichten inspiriert von ihm im Repertoire.
Ich erwäge den vergesslichen Cowboy zu erzählen. Ich bereite mich auf ihn vor und entdecke: Oh, es geht um einen Cowboy. Kann man davon heute noch erzählen? Und reitet nicht in seinem Schatten der Indianer? Von dem, weiß ich, den gibt’s nicht mehr. Also: Neu denken!
Dann fällt mir ein, dass ich bei Cowboy immer die Pistole assoziiere. Geht auch nicht in Kitas, die sind waffenfrei, jedenfalls in Deutschland.
Und ich finde das richtig. Stellt sich also wieder einmal raus, die Zeiten wandeln sich.
Kein Cowboy. Keine Geschichte über den.
Aber ich hab Lust auf diese Story. Ist der Kerl wirklich wichtig? Damals, als Hannover die Geschichte mit seinen Kindern erfand und aufschrieb, war er sich der toxischen Männlichkeit dieses Protagonisten bewusst. Mutwillig störte Hannover ein damals noch gesellschaftlich anerkanntes Männerbild mit seinen Bildern.
Sein Cowboy ist vergesslich, der reitet los, ohne sich anzuziehen, und bald fangen die Kinder beim Erzählen an, hinein zu rufen, was er noch vergessen hat.
Allen wird klar, das ist kein Held. War wirklich sehr lustig.
Also was mach jetzt ich? Heute. 2023.
Ich berate mich mit Ellen. Sie bestätigt, geht gar nicht mehr. Und wo bleiben die Mädchen?
Die vergessliche Reiterin – äh – nein.
Die vergessliche Hexe! Aber ein Besen macht keine Reit- Geräusche.
Ich fahre unerlöst mit dem Fahrrad zum Auftrittsort. 20 km. Da hat man Zeit und auf einmal hab ich’s!
Die vergessliche Fee – und sie reitet auf einem Einhorn – da hab ich meine klappernden Hufe – und wieder geht es um Toxizität – toxische Weiblichkeit – lila, rosa Niedlichkeiten – Rollenmuster, die man hinterfragen kann – wunderbar.
Ich probiere es gleich in der ersten Gruppe aus – und es entwickelt sich einer jener wundervollen Momente, in denen eine Kindergruppe die Geschichte künstlerisch vorantreibt. Sie erfassen die Story voll, sie sind einfallsreich und aufgeregt. Sie bremsen sich und fließen doch über.
Alle kennen Feen, viele haben Einhörner zu Haus. Hüte, Schleier, Zauberstäbe, Feenstaub. Es entwickeln sich Diskussionen über den Aufbewahrungsort von Feenstaub und wie man ihn am besten transportiert und und und.
Anregend, fröhlich und relevant!

 

Nach dem Auftritt gehe ich zum Fahrrad und finde im benachbarten Fahrradständer das Motiv zu diesem Blogartikel. Perfekt!

 

 

 

Und hier der Text der Mitmachgeschichte: